Von Innen nach Außen
(2008-2010) Multikulturelle Hausgemeinschaften setzen Zeichen
Weitere Informationen über das Kunstprojekt "Von Innen nach Außen" finden Sie auf der Homepage des Projektträgers Stadtteilverein Schöneberg e.V. und Quartiermanagement Schöneberger Norden
Einführung in die künstlerischen Leitgedanken:
Die Satellitenschüssel bzw. die Parabolantenne dient in sehr vielen Haushalten als Fernsehempfänger und ist nicht nur in multikulturellen Ballungszentren weit verbreitet. In Haushalten mit Migrationshintergrund ist dieses Empfangsgerät mehr als nur die Möglichkeit einen Sender störungsfrei zu empfangen.
Für mich verkörpert diese Antenne auch ein starkes Symbol. Dieser Parabolspiegel schafft eine Verbindung zwischen dem gegenwärtigen Wohnort eines Menschen und seines ursprünglichen Heimatlandes. Er liefert tausende von Informationen und Bildern und unterhält in kulturvertrauter Manier. Die Antenne ermöglicht den Nutzern mit ihrer Kultur in Kontakt zu bleiben. Könnte sie aber auch verhindern neuen Kontakt aufzubauen? In dem Projekt "Von Innen nach Außen" geht es um eine Umkehrung. Der Empfänger wird zum Sender.
Ist dieser "Spiegel" also auch ein Symbol einer fehlgeschlagenen Integration? Oder ist er nur ein normales Bindeglied in einer Vielvölkergemeinschaft? Kann das im Grundgesetz manifestierte Recht auf Information auch Isolation bewirken?
Diese und ähnliche Fragen stellte ich mir erstmals im Jahre 2006, als ich am Migrantenwohnheim in Ehingen an der Donau vorbei spazierte. Dort lernte ich mehrere Flüchtlingsfamilien kennen. Diese Begegnungen spielten bei der Entwicklung dieses Kunstvorhabens eine wichtige Rolle.
Mir fiel auf, daß das kleine Haus, in dem diese Familien untergebracht waren, gespickt mit solchen "Satellitenschüsseln" war. Die Bewohner des Hauses schauten vorwiegend die Fernsehprogramme ihrer Herkunftsländer an und blieben dadurch mit ihrer Heimat weiterhin eng verbunden. Das "Heimatprogramm" schien vor allem für die ältere Generationen, die nicht in Deutschland aufgewachsen war, von hoher Wichtigkeit zu sein.
In den Gesprächen mit den Hausbewohnern wurde mir bewusst, wie wenig ich mich zuvor mit dem Themenbereich der Integration auseinandergesetzt hatte. Diese Menschen und deren Problematiken waren unsichtbar für mich gewesen und ich hatte das Gefühl man müsse beginnen, sichtbare Zeichen zu setzen.
Zur künstlerischen Idee:
Mein künstlerisches Vorhaben entwickelte sich aus der Idee, die in die Außenwelt gerichteten, "Parabolantennen" in einem künstlerischen Projekt zu gestalten. Als Ausdrucksmedium wählte ich die Fotografie.
Ich entfernte mich schnell von dem Gedanken, ein Gebäude nur in einer Art Verschönerungsaktion "künstlerisch wertvoller" zu machen. Mich interessierte vielmehr, wer genau sich hinter diesen Empfängern verbarg. Mich interessierte, wie die dort lebende Familien ihre "Satellitenschüsseln" selbst gestalten würden. Welches "Zeichen", welche "Botschaft", von den Familien selbst gezeigt werden möchte. Wie die Menschen "gesehen" werden wollen oder, was für ein Bild sie "aussenden" möchten.
Die Parabolantenne also, als nutzbare Fläche, um ein Zeichen der eigenen Identität zu setzen. Oder, gar eine nonverbale Art einen interkulturellen Dialog zu führen?
Ich möchte durch die als Kunstobjekte gestalteten Antennen, in urbanen Bereichen, aufmerksam machen und einen interkulturellen Dialog anregen.
Bei einer Reise nach Berlin fiel mir das Pallasseum auf: Mitten in der Stadt horchten die Parabolspiegel nach Bildern und Nachrichten aus aller Welt. Bei ersten Erkundungen lernte ich die internationale Nachbarschaft im Haus kennen. Fasziniert von dieser multikulturellen Umgebung entwickelte ich mein Konzept für das Pallasseum fort.
Bei Herrn Fritsch und Frau Witthöft der Pallasseum Wohnbauten KG und der Mitarbeiter des Quartiersmanagement des Schöneberger Nordens fand ich Ende 2008 offene Ohren und Unterstützung für meine Idee.
Mit dem Stadtteilverein Schöneberg gelang es die Idee in einem nachbarschaftlichen Kunstprojekt umzusetzen.
Das Projekt "Von Innen nach Außen" ging im Sommer 2009 an den Start. Würde es gelingen die Bewohner des Pallasseums für das Projekt zu gewinnen? Bei Treffen und sehr vielen Hausbesuchen befassten sie sich mit der Idee. Nach anfänglicher Skepsis entschlossen sie sich überwiegend, mitzumachen und die für sie sehr wichtigen Antennen zur Verfügung zu stellen. Die am Projekt beteiligten Bewohner erhielten die Möglichkeit, in einem künstlerisch, kreativen Prozess in eine Auseinandersetzung mit sich, ihrer direkten Umgebung oder auch ihrer Herkunft, zu kommen.
Die Teilnehmer wurden selbst zum Akteur, zum Kulturschaffenden, zum Künstler und entwickelten gemeinsam mit mir ihre Bildideen.
Bei diesem Kunstprojekt wurden also verschiedene Themen miteinander verknüpft, gefördert und angesprochen. Diese Themen sind u.a. Begegnung, Kommunikation, Kreativität, Identität, Integration und Urbanität.
Unter den Hausbewohnern schufen die gestalteten Antennen zahlreiche Anknüpfungspunkte für Austausch und Kommunikation. Und sie sind stolz auf den Eindruck den die veränderte Fassade hinterläßt, stolz auf ihre Botschaft in die Welt.
Ich verstehe mich in diesem künstlerischen Vorhaben auch als Mittler und Impulsgeber. Der Veränderungsprozess der Hausfassade geschah in Teilschritten und bot Raum um zu reflektieren, wie die Kunst den Kiez und die nachbarschaftlichen Verhältnisse verändern wird.
PS: Die Installation am Pallasseum wird sich noch weiterentwickeln.